Auswilderung Uralkauz
06/05/2020Schutz des La Plata Delphins
11/05/2020Auswilderung Waldrapp
IUCN Rote Liste: Bedrohungsstatus / Populations-Trend
Totgeglaubte leben länger
Erste Bemühungen zum Schutz des Waldrapps (Geronticus eremita) gab es bereits vor rund 500 Jahren. Im 16. Jahrhundert sollten verschiedene Erlasse dafür sorgen, dass zum Beispiel immer ein Jungvogel beim Plündern der Nester darin verblieb und dass die Vögel auch sonst nicht übermäßig gestört werden. Leider genügten diese frühen Anfänge des Artenschutzes nicht aus, auch wenn sie eigentlich bereits das Konzept der Nachhaltigkeit enthielten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts erloschen die letzten Waldrappvorkommen in Europa. Die Gründe waren klimatische Veränderungen und eine nicht nachhaltige Nutzung der Tiere. Junge Waldrappe galten als Delikatesse und auch adulte Vögel wurden gerne als Fastenspeise hergenommen. Eine zugegeben eher zweifelhafte Ehre, die zu der Zeit zahlreichen Tieren und Tierteilen zu Ehren und zum Verhängnis wurde. Zusätzlich wurde es durch die sogenannte Kleine Eiszeit kühler in Europa, was die Vorkommen von Waldrappen weiter zugesetzt haben wird. Zusätzlich deutet „eremita“ im wissenschaftlichen Artnamen bereits darauf hin, dass der Eremit oder Einsiedler Waldrapp wohl ohnehin in Mitteleuropa eher selten war. In Spanien, Frankreich, Italien und Bulgarien wurden historische Waldrappvorkommen über Knochenfunde nachgewiesen. Zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten und ins Reich der Fabelwesen gerückt, wurde der Waldrapp erst Ende des 19. Jahrhunderts von der sogenannten Westlichen Welt am Roten Meer wiederentdeckt. Kurze Zeit später, in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, kamen dann die ersten Waldrappe aus der Türkei in deutschen und schweizerischen Zoos an, jedoch nur in sehr geringen Stückzahlen und ohne erfolgreiche Zucht. Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren wurden dann von Marokko aus Wildfänge in größerer Anzahl nach Europa gebracht, mit denen eine erfolgreiche Erhaltungszucht aufgebaut werden konnte. Spätere Importe aus Marokko, jetzt auch in Form von Nachzuchten aus dem Zoo Rabat, verstärkten die wachsende Zoopopulation zusätzlich.
Bis in die heutige Zeit haben rein wilde Waldrappe nur an der marokkanischen Atlantikküste überlebt. Der letzte wilde Waldrapp der Türkei verschwand Ende der 1980er Jahre. Seitdem existiert hier nur noch das 1977 durch Umsiedelung entstandene Vorkommen von Menschen betreuter Vögel. Ein erst 2002 bei Palmyra in Syrien entdecktes Kleinstvorkommen von gerade einmal sieben Individuen ist wahrscheinlich bereits erloschen, zumindest wurde dort seit 2014 keiner dieser Vögel mehr beobachtet.
Weltweit gibt es nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN nur noch 200-249 ursprünglich wilde adulte Waldrappe (Stand 1. Mai 2020). Die Zoopopulation dagegen umfasst rund 1750 Vögel. Seit 1988 existiert für Waldrappe ein EAZA Ex-situ Programme (EEP) des Europäischen Zooverbandes (EAZA), welches vom Alpenzoo Innsbruck koordiniert wird und im Rahmen dessen die Zoopopulation wissenschaftlich betreut, verwaltet und koordiniert wird.
Aktuell gibt es in Europa zwei Wiederansiedelungsprojekte für Waldrappe. Eines im Alpenraum (Deutschland, Österreich und Italien), bei dem mit einem nicht unerheblichen Aufwand von Menschen aufgezogenen und geprägten Waldrappen mit Motorgleitschirmen der Weg über die Alpen in geeignete Überwinterungsgebiete in Italien beigebracht wird. Ein anderes Projekt existiert in Andalusien. Hier ist das Ziel die Etablierung einer nicht ziehenden Population, da aufgrund der klimatischen Verhältnisse in Südspanien ganzjährig ausreichend Nahrung für die Vögel zur Verfügung steht, die hier zu einem sehr großen Teil aus kleinen Gehäuseschnecken besteht.
Unser Beitrag
Der Tiergarten Nürnberg unterstützt das Proyecto Eremita seit 2018 mit im Tiergarten geschlüpften Waldrappe, zusätzlich übernimmt er alle mit dem Transport der Vögel verbundenen Kosten (veterinärmedizinische Untersuchungen, Transportpapiere, Flugkosten etc.). Bisher konnten so 8 junge Waldrappe in Kooperation mit dem Proyecto Eremita und dem Zoobotanico Jerez de la Frontera ausgewildert werden. Die aus verschiedenen europäischen Zoos stammenden jungen Waldrappe werden vor der Auswilderung zunächst einige Wochen zur Eingewöhnung in einer großen Auswilderungsvoliere gehalten, die störungsarm auf einem Truppenübungsplatz an der spanischen Atlantikküste liegt. Von dort schließlich ausgewildert, haben die mittlerweile über 100 freifliegenden Waldrappe drei kleinere Kolonien gegründet, die jährlich von mehreren Paaren zur Brut genutzt werden. Zwei dieser Brutplätze liegen etwas im Landesinneren in Felswänden, als dritten Platz haben die Vögel einen alten, nicht mehr genutzten Leucht- und Aussichtsturm direkt am Strand gewählt. Im Frühjahr 2018 wurden zwei Paare an einem neuen Brutplatz beobachtet, was ein sehr gutes Zeichen dafür ist, dass das Projekt auf einem guten Weg ist. El eremita pasa!
Waldrappe werden im Tiergarten Nürnberg gehalten und gezüchtet.
Artikel zum Thema
Waldrappe aus dem Tiergarten in Spanien ausgewildert
Pressemitteilung, 05.06.2023
Zwei Waldrappe (Geronticus eremita) aus dem Tiergarten Nürnberg ziehen seit kurzem über der andalusischen Atlantikküste ihre Kreise. Die beiden Vögel sind im Frühjahr letzten Jahres im Tiergarten geschlüpft und kamen im November nach Spanien. Der Tiergarten hat sie dort an das Auswilderungsprojekt "Proyecto Eremita" abgegeben.
Die jungen Vögel aus Nürnberg verbrachten die letzten Monate in großen Auswilderungsvolieren – gemeinsam mit anderen Waldrappen aus europäischen Zoos. Dort konnten sich die Vögel zunächst aneinander gewöhnen und sich mit der neuen Heimat vertraut machen. Um die Vögel weiter beobachten zu können, wurden einige von ihnen dort auch mit einem Sender ausgestattet.
Nürnberger Waldrappe fliegen über andalusische Küste
Ende März öffneten sich schließlich die Türen der Volieren. Wie Miguel Quevedo Muñoz, Koordinator des "Proyecto Eremita" mitteilt, haben sich die ausgewilderten Vögel schon kurz danach mit ihren Artgenossen zusammengetan und fliegen nun als gemeinsamer Schwarm in den Lüften über der Atlantikküste.
Die Wildpopulation der Waldrappe in Südspanien wird derzeit auf 250 Vögel geschätzt. In dieser Brutsaison gibt es fünf Brutplätze mit etwa 30 Paaren. In der Natur ist die Ibisart nur noch dort und in Marokko anzutreffen, kleine Kolonien gibt es außerdem in der Türkei und im Alpenraum. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts war sie auch in Mitteleuropa heimisch. Nicht nachhaltige Bejagung und Lebensraumzerstörung führten jedoch zum Rückgang der Kolonien. Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft den Waldrapp heute als "stark gefährdet" ein.
Bereits zehn Waldrappe ausgewildert
Wiederansiedlungsprojekte wie "Proyecto Eremita" sollen die Art wieder in der Wildbahn etablieren. Gemeinsam mit dem Zoobotánico Jerez de la Frontera unterstützt der Tiergarten Nürnberg das Projekt seit 2018 – bislang mit zehn im Tiergarten geschlüpften Waldrappen.
"Auswilderungen machen nur einen sehr kleinen Teil der Arten- und Naturschutzarbeit von Zoos aus. Dennoch gehören sie zu den absoluten Höhepunkten unserer Arbeit", sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens. "Es freut uns, dass wir mit unseren Nürnberger Waldrappen die Population in Südspanien stützen und so zum Erhalt der Art beitragen können. Projekte wie diese sind ein Bespiel dafür, wie viel wir mit erfolgreichen Kooperationen im Artenschutz erreichen können."
Zoos und Zuchtstationen spielen bei Auswilderungsprojekten eine entscheidende Rolle. Tiere wie die Waldrappe können nur ausgewildert werden, wenn es eine stabile sogenannte Reservepopulation gibt, die in menschlicher Obhut gehalten und gezüchtet wird.
Derzeit läuft das Brutgeschäft im Tiergarten
Bei den Waldrappen im Tiergarten ist derzeit das Brutgeschäft in vollem Gange. Sollten sie auch in diesem Jahr erfolgreich Jungtiere aufziehen, kämen diese für die kommende Auswilderungsaktion in Andalusien infrage.
Der Tiergarten hält bereits seit den 1960er Jahren Waldrappe – zunächst am Flusspferdhaus und seit 1999 in der Großvoliere neben der Fischkatzenanlage. Dort leben aktuell elf Waldrappe, die sich die Voliere mit Europäischen Löfflern (Platalea leucorodia) und Purpurhühnern (Porphyrio porphyrio) teilen.
Die Nürnberger Waldrappe sind Teil des Europäischen Zuchtprogramms EEP (EAZA Ex-situ Programme). In diesen Programmen züchten Zoos und Wildparks koordiniert Tierarten, um langfristig stabile selbsterhaltende Populationen aufzubauen. Ziel ist es, auf diese Weise die jeweilige Art zu erhalten und Wiederansiedlungen in der Natur zu ermöglichen.
Tiergarten engagiert sich in mehreren Auswilderungsprojekten
Neben den Waldrappen beteiligt sich der Tiergarten auch mit anderen Tierarten regelmäßig an Auswilderungsaktionen. Im den letzten Jahren hat er beispielsweise Alpensteinböcke in Österreich, Ziesel in Tschechien und Europäische Sumpfschildkröten in Hessen ausgewildert.
Luisa Rauenbusch