IUCN Rote Liste: Bedrohungsstatus / Populations-Trend
Erste Bemühungen zum Schutz des Waldrapps (Geronticus eremita) gab es bereits vor rund 500 Jahren. Im 16. Jahrhundert sollten verschiedene Erlasse dafür sorgen, dass zum Beispiel immer ein Jungvogel beim Plündern der Nester darin verblieb und dass die Vögel auch sonst nicht übermäßig gestört werden. Leider genügten diese frühen Anfänge des Artenschutzes nicht aus, auch wenn sie eigentlich bereits das Konzept der Nachhaltigkeit enthielten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts erloschen die letzten Waldrappvorkommen in Europa. Die Gründe waren klimatische Veränderungen und eine nicht nachhaltige Nutzung der Tiere. Junge Waldrappe galten als Delikatesse und auch adulte Vögel wurden gerne als Fastenspeise hergenommen. Eine zugegeben eher zweifelhafte Ehre, die zu der Zeit zahlreichen Tieren und Tierteilen zu Ehren und zum Verhängnis wurde. Zusätzlich wurde es durch die sogenannte Kleine Eiszeit kühler in Europa, was die Vorkommen von Waldrappen weiter zugesetzt haben wird. Zusätzlich deutet „eremita“ im wissenschaftlichen Artnamen bereits darauf hin, dass der Eremit oder Einsiedler Waldrapp wohl ohnehin in Mitteleuropa eher selten war. In Spanien, Frankreich, Italien und Bulgarien wurden historische Waldrappvorkommen über Knochenfunde nachgewiesen. Zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten und ins Reich der Fabelwesen gerückt, wurde der Waldrapp erst Ende des 19. Jahrhunderts von der sogenannten Westlichen Welt am Roten Meer wiederentdeckt. Kurze Zeit später, in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, kamen dann die ersten Waldrappe aus der Türkei in deutschen und schweizerischen Zoos an, jedoch nur in sehr geringen Stückzahlen und ohne erfolgreiche Zucht. Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren wurden dann von Marokko aus Wildfänge in größerer Anzahl nach Europa gebracht, mit denen eine erfolgreiche Erhaltungszucht aufgebaut werden konnte. Spätere Importe aus Marokko, jetzt auch in Form von Nachzuchten aus dem Zoo Rabat, verstärkten die wachsende Zoopopulation zusätzlich.
Bis in die heutige Zeit haben rein wilde Waldrappe nur an der marokkanischen Atlantikküste überlebt. Der letzte wilde Waldrapp der Türkei verschwand Ende der 1980er Jahre. Seitdem existiert hier nur noch das 1977 durch Umsiedelung entstandene Vorkommen von Menschen betreuter Vögel. Ein erst 2002 bei Palmyra in Syrien entdecktes Kleinstvorkommen von gerade einmal sieben Individuen ist wahrscheinlich bereits erloschen, zumindest wurde dort seit 2014 keiner dieser Vögel mehr beobachtet.
Weltweit gibt es nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN nur noch 200-249 ursprünglich wilde adulte Waldrappe (Stand 1. Mai 2020). Die Zoopopulation dagegen umfasst rund 1750 Vögel. Seit 1988 existiert für Waldrappe ein EAZA Ex-situ Programme (EEP) des Europäischen Zooverbandes (EAZA), welches vom Alpenzoo Innsbruck koordiniert wird und im Rahmen dessen die Zoopopulation wissenschaftlich betreut, verwaltet und koordiniert wird.
Aktuell gibt es in Europa zwei Wiederansiedelungsprojekte für Waldrappe. Eines im Alpenraum (Deutschland, Österreich und Italien), bei dem mit einem nicht unerheblichen Aufwand von Menschen aufgezogenen und geprägten Waldrappen mit Motorgleitschirmen der Weg über die Alpen in geeignete Überwinterungsgebiete in Italien beigebracht wird. Ein anderes Projekt existiert in Andalusien. Hier ist das Ziel die Etablierung einer nicht ziehenden Population, da aufgrund der klimatischen Verhältnisse in Südspanien ganzjährig ausreichend Nahrung für die Vögel zur Verfügung steht, die hier zu einem sehr großen Teil aus kleinen Gehäuseschnecken besteht.
Brütende Waldrappe in Andalusien (Spanien) – © Jörg Beckmann
Der Tiergarten Nürnberg unterstützt das Proyecto Eremita seit 2018 mit im Tiergarten geschlüpften Waldrappe, zusätzlich übernimmt er alle mit dem Transport der Vögel verbundenen Kosten (veterinärmedizinische Untersuchungen, Transportpapiere, Flugkosten etc.). Bisher konnten so 8 junge Waldrappe in Kooperation mit dem Proyecto Eremita und dem Zoobotanico Jerez de la Frontera ausgewildert werden. Die aus verschiedenen europäischen Zoos stammenden jungen Waldrappe werden vor der Auswilderung zunächst einige Wochen zur Eingewöhnung in einer großen Auswilderungsvoliere gehalten, die störungsarm auf einem Truppenübungsplatz an der spanischen Atlantikküste liegt. Von dort schließlich ausgewildert, haben die mittlerweile über 100 freifliegenden Waldrappe drei kleinere Kolonien gegründet, die jährlich von mehreren Paaren zur Brut genutzt werden. Zwei dieser Brutplätze liegen etwas im Landesinneren in Felswänden, als dritten Platz haben die Vögel einen alten, nicht mehr genutzten Leucht- und Aussichtsturm direkt am Strand gewählt. Im Frühjahr 2018 wurden zwei Paare an einem neuen Brutplatz beobachtet, was ein sehr gutes Zeichen dafür ist, dass das Projekt auf einem guten Weg ist. El eremita pasa!
© Christian Langhans
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