
Wiederansiedlung Kulane
27/04/2020Vaquita in Not
IUCN Rote Liste: Bedrohungsstatus / Populations-Trend
Der Vaquita (Phocoena sinus) ist eine der kleinsten Walarten der Welt, kommt ausschließlich im nördlichen Golf von Kalifornien vor und hat mit 4000 km² (das ist nur wenig mehr als die Insel Mallorca) auch eines der kleinsten Verbreitungsgebiete. Dieses Verbreitungsgebiet überlappt mit dem des Totoaba (Totoaba macdonaldi), eines großen Fisches aus der Familie der Umberfische. Die ebenfalls stark bedrohten Totoabas werden wegen des Wertes ihrer Schwimmblase, der in der traditionellen chinesischen Medizin heilende Eigenschaften zugeschrieben werden, intensiv befischt. Häufig verenden dabei Vaquitas in für den Totoaba ausgelegten Stellnetzen und Geisternetzen. In den letzten Jahren sind die Bestände des Vaquitas drastisch eingebrochen. Gab es im Jahr 1997 noch schätzungsweise 567 Tiere, so sank deren Bestand auf nur mehr 30 Individuen im Jahr 2017 und wird gegenwärtig auf lediglich 9 (!) Tiere geschätzt.

© Thomas Jefferson
Unser Beitrag
Um den Vaquita noch zu retten, ist es jetzt sehr wichtig Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen zu ergreifen. Der Tiergarten Nürnberg hat zusammen mit der Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha e.V. und den Nürnberger Tiergartenfreunden die Kampagne „Vaquita don’t quit!“ ins Leben gerufen. Ziel dabei ist es, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für das drohende Aussterben der Tierart zu erhöhen. Darüber hinaus unterstützt die Kampagne den Schutz der letzten Vaquitas direkt mit der Förderung von Programmen zur Bergung von Geisternetzen, in denen die Tiere weiterhin qualvoll verenden.
Die finanzielle Unterstützung von Artenschutz in der freien Wildbahn (in situ) ist ein wichtiges Anliegen des Tiergarten Nürnberg.
Artikel zum Thema
Vaquita-Schutzgebiet wird erweitert
Es gibt Hoffnung für den vom Aussterben bedrohten Vaquita, da die aktuellen Zählungen für dieses Jahr einen ermutigenden Trend zeigen: Erstmals ist der Bestand nicht mehr rückläufig. Vor mehr als einem Jahr begann die mexikanische Regierung damit, im Schutzgebiet des Vaquita im Golf von Kalifornien Betonblöcke mit Stahlhaken zu platzieren. Diese Maßnahmen haben deutliche Auswirkungen gezeigt, indem die illegale Fischerei um 90 % zurückgegangen ist. Die Fischer meiden dieses Gebiet nun aus Sorge, ihre Netze zu verlieren. Aufgrund des Erfolgs dieser Maßnahme wird das Schutzgebiet nun erweitert. Die mexikanische Regierung plant, in den nächsten Monaten weitere 152 Betonblöcke mit Stahlhaken zu versenken.
Workshop für den Schutz von Kleinwalen
Veranstalter: Yaqu Pacha e.V. und Tiergarten Nürnberg
manati 34. Jahrgang, Heft 1, Mai 2019, Seite 6.
Mit der rasant fortschreitenden globalen Zerstörung von Lebensräumen wird es zunehmend bedeutsamer, Tiere und Tierpopulationen außerhalb ihrer angestammten Heimat halten und vermehren zu können. Zoos spielen bei diesem sogenannten ex situ Management eine Schlüsselrolle, da sie über viele Jahrzehnte an Erfahrung im Umgang mit Wildtieren und deren alltäglichen Ansprüchen, sowie über wichtige wissenschaftliche Faktoren wie Populationsgenetik und die Koordination von Zuchtprogrammen besitzen. Diese Erfahrung ist besonders gefragt, wenn es um die Haltung von Tieren geht, die spezielle Anforderung an ihren Lebensraum stellen oder deren Lebensraum nicht einfach zu simulieren ist. Hierzu gehören zweifelsohne Wale und Delphine. Der Nürnberger Tiergarten hält seit beinahe 50 Jahren Delphine und ist auch über die im Tiergarten angesiedelte Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha eng mit der Erhaltung seltener und bedrohter Delphinarten verbunden. Im Dezember letzten Jahres wurden vom Tiergarten und Yaqu Pacha ein internationaler Workshop zum ex situ Management von Walen und Delphinen abgehalten. Hierzu kamen Walexperten aus aller Welt nach Heilsbronn vor den Toren von Nürnberg, darunter unter anderem Dr. Lorenzo Rojas-Bracho, der sich seit Jahren intensiv für den Schutz des akut bedrohten Kalifornischen Schweinswals (Vaquita) einsetzt. Im Rahmen des Workshops wurden Informationen zu sieben verschiedenen Delphinarten und dem aktuellen Status ihrer Populationen in der Wildbahn zusammengetragen. Diese ausgewählten Arten dienten dabei als Beispiele für alle kleinen Walarten, die ähnliche Ansprüche an ihren Lebensraum stellen und somit ähnlichen Bedrohungen ausgesetzt sind. Einer der besprochenen Delphine ist der La Plata Delphin (Pontoporia blainvillei), welcher an der Atlantikküste Südamerikas beheimatet und dort aufgrund von zunehmender Umweltverschmutzung und Küstenfischerei bedroht ist. Aufmerksame Tiergartenbesucher erinnern sich sicherlich an die Informationstafeln im alten Delphinarium, in denen die Arbeit von Yaqu Pacha zum Schutz des La Plata Delphins dokumentiert ist.
Anhand der gegenwärtigen Situation, eventuell bereits bestehenden Schutzprogrammen und möglichen zukünftigen Bedrohungen wurde ermittelt, welche Rolle der Schutz und die Möglichkeit zum Erhalt dieser Arten außerhalb ihres angestammten Lebensraumes spielen können.
Ein positives Beispiel ist der Yangtze-Glattschweinswal (Neophocaena asiaeorientalis ssp. asiaeorientalis), für den eine Kombination aus Erhalt des Lebensraums und erfolgreicher ex situ Maßnahmen auf einen Fortbestand der Art hoffen lassen. Im Rahmen des Workshops wurden mehrere Empfehlungen zum Umgang mit bedrohten Kleinwalen erarbeitet. Ein wichtiger Punkt war dabei das zeitnahe Erfassen und Erheben wichtiger Daten zum Umgang mit einer bedrohten Art. Ein großer Problempunkt, der beispielsweise bei der versuchten Fangaktion des Vaquita vor gut einem Jahr auftrat, war das mangelnde Wissen darüber, wie die Tiere auf die Gefangenschaft reagieren würden. Genauere Forschungserkenntnisse über das Verhalten und die Anforderungen der Tiere an Gefangenschaft oder Transport könnten etwa nötige Eingriffe dementsprechend stark verbessern. Als Unterstützung von verbesserter Forschung und Datenerfassung wurde auch eine Strategie zum systematischen Austausch von Ergebnissen und Beobachtungen zwischen Forschern, Zoos und anderen Unterstützern empfohlen. Schlussendlich wurde die große Bedeutung eines umfassenden Schutz- und Management Plans für bedrohte Arten unterstrichen (One Plan Ansatz), der sowohl einen Erhalt des angestammten Lebensraums, als auch ein Management von Tieren außerhalb dieses Lebensraumes beinhaltet.
Text: Jonas Straub
Letzte Chance für den Vaquita
Eine große internationale Rettungsaktion versucht die nur mehr wenigen Exemplare des kalifornischen Schweinswals einzufangen
Tiergartenzeitung Ausgabe 15, November 2017, Seite 3.
Eine spektakuläre, beispiellose Aktion läuft in diesen Wochen im Golf von Kalifornien vor Mexico: Ein internationales Expertenteam versucht, die letzten Vaquita-Schweinswale einzufangen und in großen Meereskäfigen zu halten, um so das Überleben der kleinsten Wale der Welt dauerhaft zu sichern.
Die Tümmler bleiben in ihrem Lebensraum – allerdings in einem abgegrenzten Gebiet, in dem sie sich vermehren sollen. Die Behälter sind so groß, dass sich die kleinen Säugetiere auch aus dem Weg gehen können, erklären die Organisatoren. Sollte das Vorhaben scheitern, sehen die Beteiligten keine Überlebenschance mehr für diese seltene Art.
Die Population der Vaquitas ist in jüngster Vergangenheit dramatisch zusammengebrochen: Vor 20 Jahren waren es noch 600 Individuen. Laut Schätzungen leben jetzt nur noch 20 bis 28 der Schweinswale in einem über 2 200 Quadratkilometer großen Meeresgebiet. Sie kommen nur hier vor. Der Rückgang beträgt also über 95 Prozent.
Das Problem wird durch verbotene Stellnetze verursacht, die in der riesigen Meeresbucht verankert sind oder als Geisternetze durch den Pazifik treiben. Fischer fürchten um ihre Lebensgrundlage und gehen daher heimlich auf Fischfang. Sie haben es eigentlich auf den Totoaba abgesehen, für dessen Fischblase auf dem chinesischen Markt horrende Summen gezahlt werden. Doch als unbeabsichtigter Beifang verheddern sich Vaquitas in den Netzen, die dann elend ertrinken. Ein Foto zeigt einen kleinen, toten Golftümmler mit schweren Verletzungen, die er sich beim Todeskampf im reißfesten Kunststoffnetz zugezogen hat – in dem erfolglosen Bemühen, sich zu befreien. In den letzten anderthalb Jahren hat man im Golf von Kalifornien 380 Stellnetze herausgezogen – sie waren bis zu 600 Meter lang.
Wenn man jetzt nichts unternimmt, sind die nur 1,50 Meter und 50 Kilogramm leichten Schweinswale zum Aussterben verdammt, meint Lorenzo von Fersen: „Dann wird es sie in ein, zwei Jahren nicht mehr geben.“ Der wissenschaftliche Kurator des Tiergartens Nürnberg hat sich kürzlich an der mexikanischen Küste über die Fangaktion informiert.
Er war beeindruckt von der professionellen Vorgehensweise: In einem Geheimpapier sind sämtliche Eventualitäten aufgelistet. Ein Team von 80 bis 100 Personen – Veterinäre, Wissenschaftler, Tiermanager, Biologen, gemeinnützige Organisationen und die Schiffscrew – beteiligen sich an den Einsätzen.
Ziel ist, möglichst alle Vaquitas mit Netzen einzufangen und zunächst in großen Behältern, so genannten „Sea pens“, zu halten. Dort untersuchen Tierärzte sie auf ihren Gesundheitszustand. Es gibt ein Krankenhaus mit zwei großen Pools für die Schweinswale, 2 eine Wasseraufbereitungsanlage, eine Fischküche mit Tiefkühltruhe und anderes mehr – die Aktion ist generalstabsmäßig geplant. Fünf Millionen US-Dollar soll das aufwendige Vorhaben kosten, allein die mexikanische Regierung engagiert sich mit drei Millionen Dollar. Sie hat sich in jüngster Vergangenheit sehr stark für die Vaquitas und deren Zukunft eingesetzt.
Tierschutz-Organisationen beteiligen sich ebenfalls an der Aktion. So beobachtet und dokumentiert „Sea Shepherd“ schon seit längerem die Situation im mexikanischen Golf von Kalifornien. „Die Crew war von dem Ausmaß der illegalen Fischerei und der Präsenz der tödlichen Stellnetze innerhalb dieser geschützten Gebiete überrascht“, teilt die Organisation auf ihrer Website mit. „Sea Shepherd“ hat mit ihrem Schiff selbst verbotene Stellnetze aufgespührt und zerstört.
Die Organisation lobt die mexikanische Regierung, die mit Schnellbooten der Marine auf dem Meer patrouilliert. Der Staat gebe über 30 Millionen US-Dollar für weitere Anstrengungen aus, unter anderem auch für ein Kompensationsprogramm, damit Fischer auf den Einsatz von Stellnetzen verzichten.
Doch das Problem der Wilderei ist nicht gebannt. Nach Gesprächen mit Beteiligten der Vaquita-Rettungsaktion kommt Nürnbergs Tiergarten-Kurator von Fersen zu einer düsteren Einschätzung: „Es besteht schon die Gefahr einer Revolution der Fischer. Außerdem gibt es zwar eine beachtliche Militärpräsenz. Aber wenn die Soldaten geschmiert werden, schauen sie halt einfach weg.“
Um die letzten Schweinswale dieser Art im unendlich weiten Meer zu orten, konzentrieren sich die Beteiligten auf ein 40 mal 40 Kilometer großes Gebiet, in dem die Vaquitas in der Vergangenheit oft registriert wurden. Mit Hydrophonen haben sie dort ihre akustischen Äußerungen aufgezeichnet.
Außerdem sind auf den großen Booten Beobachter mit Feldstechern im Einsatz. Dies ist in den Weiten des Ozeans durchaus nicht aussichtslos: Erst vor wenigen Monaten hat ein Tourist ein kurzes Video gepostet, auf dem drei Vaquitas zu erkennen sind. Und dann gibt es außerdem noch zwei Große-Tümmler- Delfine der US-Navy, die speziell zum Aufspüren der Schweinswale eingesetzt werden.
Tiergarten-Kurator von Fersen ist von seiner Mexiko-Reise nachdenklich zurückgekehrt: „Ich habe großen Respekt vor der Fangaktion, aber die Bedingungen sind sehr kompliziert. Zuvor war ich sehr zuversichtlich, jetzt bin ich deutlich vorsichtiger in meiner Prognose.“ Tidenunterschiede im Meer von bis zu acht Metern, Stürme, die aus dem Nichts auftauchen, Korruption, die das Fangverbot aushebelt, oder auch Geisternetze, die durch heftige Unwetter losgerissen wurden und als Falle unkontrolliert durch die trübe, riesige Bucht schweben – es gibt etliche Faktoren, die die Aktion scheitern lassen können.
Ursprünglich hatte man sie bis Ende November befristen wollen, jetzt läuft sie mit offenem Ende. Die Beteiligten müssen Erfahrungen sammeln: „Wenn viele Vaquitas beim Einfangen sterben, hat das Vorhaben keinen Sinn“, meint von Fersen. Doch er sieht in dem internationalen, koordinierten Vorgehen unter der Leitung des mexikanischen Biologen Lorenzo Rojas-Bracho die einzige Überlebenschance. Der Tiergarten Nürnberg hat daher 50.000 Euro gesammelt und zur Verfügung gestellt. Zusammen mit dem Förderverein und Yaqu Pacha sind es sogar 90.000 Euro.
Unabhängig von konkreten Erfolgen sehen Wissenschaftler die Aktion grundsätzlich als sinnvoll an. Man könne aus dem Vorgehen für die Zukunft lernen. Denn andere Tümmler – wie zum Beispiel der La-Plata-Delphin – stehen ebenfalls kurz davor, von der Erde zu verschwinden. Beim chinesischen Flussdelphin ist eine Expedition auf dem Jangtsekiang vor zehn Jahren zu spät gekommen: Die Art ist vermutlich endgültig ausgestorben Diese bittere Erfahrung will man bei anderen Tümmler-Arten vermeiden. Die große Vision ist, eines Tages Vaquitas mit einem gesicherten Bestand wieder im mexikanischen Golf von Kalifornien auswildern zu können.
Text: Hartmut Voigt
